Detail

Drucken

Autor
Docx, Edward

Am Ende der Reise

Untertitel
Roman. Aus dem Englischen von Jenny Merling und Anna-Christin Kramer
Beschreibung

Am Ende der Reise ist ein Roadtrip der besonderen Art. Lou und sein an der irreversiblen und tödlich endenden Krankheit ALS leidende Vater Larry machen sich in einem alten VW-Bus auf die Reise von England über Frankreich und Deutschland Richtung Schweiz. Der todkranke Vater will die dort legale Sterbehilfe in Anspruch nehmen. Der obligatorische Beratungstermin in Zürich vor Aushändigung des benötigten Rezeptes ist festgelegt und der unverrückbare Endpunkt der Reise. Die Krankheit und der voranschreitende körperliche Verfall des Vaters sind allgegenwärtig. Dass die Tragweite und Schwere dieser letzten gemeinsamen Reise den Leser nicht erdrückt, liegt an der sehr lebensnahen und flapsigen Schilderung der oftmals fast slapstickartigen Widrigkeiten der Fahrt und der Möglichkeit des Eintauchens in diese sehr persönliche Familiengeschichte.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Kein & Aber Verlag, 2017
Format
Gebunden
Seiten
512 Seiten
ISBN/EAN
978-3-0369-5765-4
Preis
25,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Edward Docx, geboren 1972 als Sohn eines Briten und einer Russin, arbeitet als Journalist und Schriftsteller. Er schreibt regelmäßig für den Guardian, wurde mehrfach ausgezeichnet und ist Autor von vier Romanen, von denen derzeit zwei verfilmt werden. Sein Roman Pravda wurde für den Man Booker Prize nominiert. Er lebt mit seiner Familie in London.

Zum Buch:

Am Ende der Reise ist ein Roadtrip der besonderen Art. Lou und sein an der irreversiblen und tödlich endenden Krankheit ALS leidende Vater Larry machen sich in einem alten VW-Bus auf die Reise von England über Frankreich und Deutschland Richtung Schweiz. Der todkranke Vater will die dort legale Sterbehilfe in Anspruch nehmen. Der obligatorische Beratungstermin in Zürich vor Aushändigung des benötigten Rezeptes ist festgelegt und der unverrückbare Endpunkt der Reise. Die Krankheit und der voranschreitende körperliche Verfall des Vaters sind allgegenwärtig. Dass die Tragweite und Schwere dieser letzten gemeinsamen Reise den Leser nicht erdrückt, liegt an der sehr lebensnahen und flapsigen Schilderung der oftmals fast slapstickartigen Widrigkeiten der Fahrt und der Möglichkeit des Eintauchens in diese sehr persönliche Familiengeschichte.

Anfangs sitzen Lou und Larry noch alleine im VW-Bus. Wir lernen die beiden durch ihre Gespräche kennen und erfahren einiges über den Prozess der Entscheidungsfindung und über die Auseinandersetzung mit dem potentiellen Krankheitsverlauf. Lous Bereitschaft, seinen Vater bei der Umsetzung seines Entschlusses, in die Schweiz zu fahren, zu unterstützen, ist von Unsicherheit und eigenen Ängsten geprägt. Bewunderung für die Stärke des Vaters, Trauer über das Zerrinnen der verbleibenden gemeinsamen Zeit, Rückblenden zu gemeinsam Erlebtem und Situationskomik gehen im Verlauf der Geschichte immer wieder nahtlos ineinander über. Vater und Sohn leben seit Monaten damit, dass die Hälfte der Gespräche zu bedeutungsvoll ist und die andere Hälfte in ihren Ohren zu hohl klingt, als überhaupt Teile der kostbar gewordenen Zeit damit zu verschwenden. Irgendwie geht es auf dieser Reise eben um alles, um das Leben als solches, die Erkenntnisse des Sohn- und Vaterdasein, die Leidenschaft des Vaters für Sprache und die Aneignung und Vermittlung von Wissen und seine Verurteilung der heutigen medial geprägten und sich immer schneller drehenden Welt.

Richtig Fahrt nimmt die Geschichte aber dann auf, als Lous ältere Halbbrüder, erst, bei einer Champagner-Verkostung auf einem idyllischen Chateau, Ralph und dann etwas später Jack – in einer regendurchweichten Campingplatzszene – zu Lou und Larry dazu stoßen. Diese vier Männer fluchen, philosophieren und diskutieren sich dann streitlustig gemeinsam im VW-Bus Richtung Zürich. Familiengeschichte kommt hoch, es wird gestritten, verziehen und gemeinsam um die verbleibende Zeit gekämpft. Die innige Nähe, aber auch die Konfrontation der drei Brüder, die unterschiedlicher nicht sein könnten, ihr jeweils individueller und auch kritischer Blick auf das Leben und ihren Vater, schaffen es mühelos, zu berühren und zu bereichern.

Ganz nebenbei wird die ethische, politische, aber auch höchst menschliche Frage verhandelt, warum ein todkranker Mensch durch halb Europa fahren muss, um sich einen aus eigener Perspektive würdevollen Tod zu ermöglichen. Die jeweiligen Sichtweisen der Söhne sind hier ebenso einleuchtend wie die Perspektive des intensiv um Würde und die Akzeptanz seiner Söhne ringenden Vaters. Edward Docx hat mit Am Ende der Reise einen gleichermaßen mitreißenden und berührenden Roman geschrieben, der die großen Themen Leben und Sterben mit einem fast leichtfüßigen Roadmovie-Rhythmus unterlegt. Das gelingt nicht oft und macht ihn schon deswegen so lesenswert. Für die Frage, was am Ende für jeden dann wohl zählt, gibt dieser Roman leidenschaftliche, philosophische und wertvolle Gedankenanstöße.

Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt