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Der große schwarze Vogel

Autor
Höfler, Stefanie

Der große schwarze Vogel

Untertitel
Roman. Ab 12 Jahre
Beschreibung

Ja, Menschen sterben, das wissen wir. Auch Eltern sterben. Manchmal auch weit vor ihren Achtzigern, bevor sie – wie man so schön sagt – ihr Leben gelebt haben. Wenn Eltern aber dann sterben, wenn ihre Kinder noch Kinder sind, bricht eine grundlegende Gewissheit von heute auf morgen weg: Die selbstverständliche Sicherheit, dass Eltern immer da sind.

Der große schwarze Vogel ist ein bunter, ehrlicher und eben nicht bedrückender Roman über den Tod, der uns immer unvorbereitet treffen kann, und schon deswegen auch ein Buch über das Leben. Und es ist nicht nur für Kinder ab 12 ein sehr lesenswerter kleiner Roman.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Beltz& Gelberg, 2018
Seiten
182
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-407-75433-2
Preis
13,95 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Stefanie Höfler, geboren 1978, studierte Germanistik, Anglistik und Skandinavistik in Freiburg und Dundee/Schottland. Sie arbeitet als Lehrerin und Theaterpädagogin und lebt mit ihrer Familie in einem kleinen Ort im Schwarzwald. Zuvor erschienen von ihr die Romane »Mein Sommer mit Mucks« sowie »Tanz der Tiefseequalle«, die beide für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurden.

Zum Buch:

Ja, Menschen sterben, das wissen wir. Auch Eltern sterben. Manchmal auch weit vor ihren Achtzigern, bevor sie – wie man so schön sagt – ihr Leben gelebt haben. Wenn Eltern aber dann sterben, wenn ihre Kinder noch Kinder sind, bricht eine grundlegende Gewissheit von heute auf morgen weg: Die selbstverständliche Sicherheit, dass Eltern immer da sind.

Ben ist vierzehneinhalb, als er an einem strahlend sonnigen Oktobermorgen zum ersten Mal in seinem Leben einen Defibrillator sieht, mit dem ein paar Sanitäter im elterlichen Schlafzimmer versuchen, seine Mutter zurück ins Leben zu holen. Alle Versuche bleiben erfolglos. Seine Mutter ist tot. Ohne Ankündigung, ohne eine Möglichkeit, sich auf den Verlust vorzubereiten, mit einem kleinen, sinnlosen Alltagsstreit am vorangegangenen Abend, der nun nicht mehr beigelegt werden kann. Ab jetzt ringt jeder allein mit seinen Gefühlen: Ben, sein Bruder Krümel, der eigentlich Karl heißt, der Vater und Tante Gerda, die trotz ihrer Trauer versucht, den Überblick zu bewahren.

Mit großer Behutsamkeit begleitet die Autorin Ben in den ersten Tagen der Betäubung und der Wortlosigkeit. Sein Vater, in einem Vakuum aus Schmerz unerreichbar, isst nicht mehr, hört nur noch Jazzmusik, vergisst vorübergehend seine Söhne und das Weiterleben. Er kann Ben nicht dabei helfen, sich an das Dasein ohne eine quirlige, lebhafte Mutter zu gewöhnen. Sein Bruder entwickelt ganz eigene Überlebensstrategien. Krümel verschwindet immer wieder, schleicht sich nachts weg, baut ein winziges Mausoleum, besteht darauf, die Trauerkarten selbst zu malen, und überzeugt seinen großen Bruder davon, dass es manchmal richtig sein kann, nachts über Friedhofsmauern zu klettern.

Ben erinnert sich auf vielen Seiten an Momente mit seiner Mutter, einer Mutter, die fröhlich und wütend, laut und manchmal so impulsiv war, dass Ben sie peinlich finden oder mit ihr in Streit geraten konnte. Ben hält Augenblicke fest, in denen er und seine Mutter ihre Liebe zu Bäumen teilten, wenn sie zusammen im Wald Beschaffenheit, Geruch und Farbe von Laub erforschten, Rinde streichelten, und doch verklären die Erinnerungen aus den Tiefen der Zeit nichts.

Bens Versuch einer Rückkehr in die Normalität misslingt, weil in der Schule alle seinem Blick ausweichen und lieber flüsternd über ihn als mit ihm sprechen. Nur Lina, von allen in der Klasse nur die „Eisprinzessin“ genannt, scheint keine Berührungsängste mit dem Thema Tod zu haben. Ganz im Gegenteil zeigt sie jetzt sogar ein offenes Interesse an Ben, das sie vor dem Tod seiner Mutter nicht gehabt hatte. Auch Freund Janus ist irgendwie „wie immer“, überwindet recht mühelos die Mauer, die Ben plötzlich von den anderen trennt. Aber Ben ist hin und her gerissen zwischen dem großen Wunsch, dass doch alles „wie immer“ sein möge, und der sich in ihm ausbreitenden Gewissheit, dass nichts mehr sein kann wie zuvor. „Als ich Tante Gerdas Haustür aufschloss, war sie gerade dabei, zu staubsaugen. Ist es nicht komisch, dass man solche Sachen macht, wenn jemand gestorben ist, essen, trinken staubsaugen?…“ fragt sich Ben und lernt mit jedem weiteren Tag seines neuen Lebens ohne Mutter, dass vielleicht das gemeint ist, wenn Menschen sagen: „Das Leben geht weiter“.

Der große schwarze Vogel ist eine bunte, ehrliche und eben nicht bedrückende Zusammenstellung von Rückblicken, Augenblicken und Zwischentönen. Es ist ein Buch über den Tod, der uns immer unvorbereitet treffen kann, und schon deswegen auch ein Buch über das Leben. Und es ist nicht nur für Kinder ab 12 ein sehr lesenswerter kleiner Roman.

Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt