Zum Buch:
Mutterschaft ist nicht immer eine bewusste Entscheidung wie, sagen wir mal, vom Dreimeterbrett zu springen. Und selbst wenn sie eine bewusste Entscheidung ist, dann muss es noch lange keine freie Entscheidung sein. Die jüngsten Debatten um den § 291a haben gezeigt, dass die unantastbare Freiheit des Individuums und seine Selbstbestimmung im Hinblick auf die Mutterschaft ziemlich rasch in Frage steht. Schon die Information über Schwangerschaftsabbrüche ist für Frauenärzte gesetzlich umstritten; immer weniger Ärzte (auch in Deutschland) wollen Abtreibungen vornehmen, in Rom ist es für Frauen schon beinahe unmöglich, einen Arzt zu finden. Frauen, so scheint die Gesellschaft zu fordern, müssen immerzu und jederzeit zur Mutterschaft bereit sein.
Nichtsdestotrotz versucht Sheila Heti in ihrem neuesten Buch das Für und Wider einer Mutterschaft auch ganz individuell abzuwägen. Und ja, sie hat schon mal abgetrieben, und ja, sie hat keine Kinder, und ja, sie ist Ende 30 und muss sich anders als Männer diese Frage stellen, falls sie die Mutterschaft nicht per se ausschließt. Und das tut sie nicht.
In der boomenden Gattung der Memoirs (der Verlag spricht freilich von einem Roman) versucht Sheila Heti, sich dem Thema Mutterschaft zu nähern. Sie beobachtet die zu Müttern gewordenen Freundinnen, beschreibt das Leben der eigenen Mutter und Großmütter und macht deutlich, dass es weder ein klares Konzept von Mutterschaft gibt oder geben kann, noch, dass wir in unseren Entscheidungen frei sind. Wir sind geprägt nicht nur vom eigenen Leben und der eigenen Zeit, sondern auch von der Biographie unserer Eltern.
Wie aber verträgt sich das eigene Leben mit dem Dasein als Mutter? Ist es „existenziell ausgeschlossen, zugleich seine Arbeit und sein Kind zu lieben“? Ist man „entweder als Künstler großartig und als Eltern medioker oder umgekehrt“? Ist das Leben einer Frau weniger wert, wenn sie keine Kinder hat? Erfüllt sich das Leben einer Frau erst in der Mutterschaft?
Tastend, subtil, selbstbefragend, anklagend stellt Heti diese Fragen, immer eingedenk der Tatsache, dass „eine Kopfentscheidung nicht weit trägt“, zeugt sie doch „keine Babys.“ Was Heti klar vorführt, ist, welch gesellschaftlichem Druck kinderlose Frauen ausgesetzt sind.
Aufschlussreich, spannend und bewegend – Sheila Heti schreibt ein Buch über Mutterschaft, das für alle interessant ist. Nicht zuletzt auch für Mütter: „Das weiblichste aller Probleme ist, dass wir uns nicht genügend Raum oder Zeit nehmen oder sie nicht zugestanden bekommen. Wir richten uns beengt in den Momenten ein, die wir uns zugestehen oder die uns zugestanden werden. (…) Sich in reiner Selbstverleugnung als Letzte zu versorgen, sich in der Hoffnung, dafür geliebt zu werden, so klein wie möglich zu machen – das ist durch und durch weiblich. (…) mit Kindern bist du schnell dabei.“
Ines Lauffer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt