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Autor
Pamuntjak, Laksmi

Alle Farben Rot

Untertitel
Roman. Aus dem Indonesischen von Martina Heinschke
Beschreibung

Wer es auf der diesjährigen Buchmesse versäumt hat, unter dem sanften Licht stoffbezogener Lampions das viertgrößte Land der Welt näher kennenzulernen, das Land mit mehr als 17.000 Inseln, 250 Millionen Einwohnern und mehreren hundert Regionalsprachen, das Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung in einer Demokratie, der kann es nachholen: Laksmi Pamuntjaks Roman „Alle Farben Rot“ entführt seine Leser in die Kultur Indonesiens, deren politische Geschichte des 20. Jahrhunderts literarisch gerade erst aufgearbeitet wird.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Ullstein Buchverlage, 2015
Format
Gebunden
Seiten
672 Seiten
ISBN/EAN
978-3-550-08086-9
Preis
24,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Laksmi Pamuntjak ist eine renommierte indonesische Essayistin, Lyrikerin und Journalistin. Sie veröffentlichte u. a. zwei Gedichtbände (Ellipsis. und The Anagram. ), den Essay Perang, Langit dan dua perempuan. („Krieg, Himmel und zwei Frauen“) über Gewalt und die Ilias. und eine Kurzgeschichtensammlung. Sie lebt mit ihrer Familie in Jakarta.

Zum Buch:

Wer es auf der diesjährigen Buchmesse versäumt hat, unter dem sanften Licht stoffbezogener Lampions das viertgrößte Land der Welt näher kennenzulernen, das Land mit mehr als 17.000 Inseln, 250 Millionen Einwohnern und mehreren hundert Regionalsprachen, das Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung in einer Demokratie, der kann es nachholen: Laksmi Pamuntjaks Roman „Alle Farben Rot“ entführt seine Leser in die Kultur Indonesiens, deren politische Geschichte des 20. Jahrhunderts literarisch gerade erst aufgearbeitet wird.

Die Unruhen, die Massaker an etwa einer Million Menschen, die Verschleppung von Regimegegnern seit der Niederschlagung des Putsches 1965 durch General Suharto, dessen Diktatur erst 1998 enden wird, bilden den Hintergrund dieses Romans – aber Laksmi Pamuntjak macht das so geschickt, dass man sich in keiner Sekunde im Geschichtsunterricht wähnt. Pamuntjak schreibt (auch) einen Liebesroman.

Ihre Protagonistin ist Amba, die Tochter eines Lehrers und einer Sängerin, die in der Kleinstadt Kadipura auf Java mit zwei jüngeren Schwestern in den 1950er Jahren aufwächst. Als junge Anglistikstudentin gerät sie mitten in die politischen Auseinandersetzungen der 60er-Jahre, versucht mit aller Macht, sich an die Literatur und ihre geliebte Lyrik zu klammern, an T. S. Eliot, an Neruda, und ihre Leidenschaft und Liebe zu dem jungen Chirurgen Bishma zu retten, der in Leipzig studiert hat und die Schriften Rosa Luxemburgs verehrt. Aber als die beiden mitten in einer Trauerfeier auseinandergerissen werden, wird ihrer Liebe ein jähes Ende gesetzt – das Gebäude der kommunistennahen Studentenorganisation CGMI wird gestürmt, Amba kann sich retten, aber Bishma bleibt verschwunden.

Ambas Geliebter wird nach Buru verschleppt, auf die Gefangeneninsel, die zur Inselgruppe der Molukken gehört. Hier auf den Gewürzinseln tobte noch vor einigen Jahrzehnten ein ganz anderer Krieg, ein Krieg um Nelken und Muskat. Unter der Diktatur Suhartos wurden hier 12.000 Männer festgehalten, ohne Anklage, ohne Verfahren: Sie standen unter dem Verdacht, Mitglieder oder auch nur Sympathisanten der kommunistischen Partei zu sein.

Nach Jahrzehnten ohne jeden Kontakt begibt Amba sich erneut auf die Suche nach ihrer kurzen, leidenschaftlichen Liebe. Das ist der Anfang des Romans – eine Reise in der Jetztzeit. Die zahlreichen Rückblenden aber führen in die Vergangenheit Indonesiens. Wie Pamuntjak den politischen Umschwung in den 1960er Jahren beschreibt – als einen Wechsel von einer mythologischen, poetischen zu einer politischen Zeit, von kindlicher Geborgenheit zu jugendlicher Zerrissenheit –, das bringt dem Leser zugleich die Vielschichtigkeit dieser Kultur nahe.

Als ihre junge amerikanische Anglistikdozentin klagt: „Amerika macht einen Fehler, weil es die Poesie vergisst, bei uns geht es nur um Fortschritt, wir wollen die Welt verstehen und sie mit Wissenschaft und Technik … unterwerfen“, erwidert Amba: „Wir sind nicht besser … Nur glauben wir, dass sich alles mit Zaubersprüchen und Gebeten bewerkstelligen lässt.“

Die Liebesgeschichte Ambas lässt sich ohne die Mythen ebenso wenig erzählen wie ohne die politischen Ereignisse – was schon damit beginnt, dass Amba sowohl Protagonistin des Romans als auch eine Figur des bekanntesten indischen Epos’, des Mahabharata, ist. Auch die epische Amba hat zwei jüngere Schwestern, Ambika und Ambalika, der mythologische Bishma wird sie alle drei entführen.

Die verschiedenen Ebenen sind für den westlichen Leser zunächst durchaus befremdlich, zumal wenn er weder mit der Kultur noch der Geschichte Indonesiens vertraut ist, aber die Reise durch Ambas Leben und Liebe, die Verwicklungen der unterschiedlichen Kulturen ist überaus lohnenswert und spannend: In ihrer Heimat erschien der Roman erstmals 2013, nach vier Monaten musste bereits die dritte Auflage gedruckt werden.

Ines Lauffer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt