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Autor
Bastašić, Lana

Fang den Hasen

Untertitel
Roman. Übersetzt von Rebekka Zeinzinger
Beschreibung

Wie lange kann eine Kinderfreundschaft halten, wenn man in einem Land aufwächst, das sich im Krieg befindet? In dem es „falsche“ und „richtige“ Namen gibt? In dem der große Bruder der Freundin einfach verschwindet und nie wieder auftaucht? Armin war Saras ganz persönlicher Kindheitsheld, Sara, die längst nicht mehr in dem Landstrich lebt, in dem sie einst das Licht der Welt erblickte und der heute Bosnien heißt. Sara, die in Dublin lebt, als ihre Freundin Leijla sich nach beinahe einem Jahrzehnt Funkstille meldet und verkündet: Armin ist wieder aufgetaucht, Du musst kommen.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
S. Fischer Verlag, 2021
Format
Gebunden
Seiten
336 Seiten
ISBN/EAN
978-3-10-397032-6
Preis
22,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Lana Bastašić, 1986 in Zagreb, Kroatien, als Kind serbischer Eltern geboren, wuchs nach dem Zerfall Jugoslawiens in Bosnien auf und lebte zuletzt viele Jahre in Barcelona. Sie hat bisher zwei Erzählbände und einen Lyrikband veröffentlicht, für die sie mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet wurde. Bastašić ist Herausgeberin des spanischen Literaturmagazins »Carn de cap« und Mitbegründerin von »3+3 sisters«, einem Projekt, das Autorinnen aus dem Balkan fördert. Mit ihrem Debütroman »Fang den Hasen« (Uhvati zeca) stand sie auf der Shortlist des NIN-Award, Serbiens renommiertesten Literaturpreis, und erhielt 2020 den Literaturpreis der Europäischen Union. Bastašić ist derzeit Writer in Residence in Zürich.

Zum Buch:

Wie lange kann eine Kinderfreundschaft halten, wenn man in einem Land aufwächst, das sich im Krieg befindet? In dem es „falsche“ und „richtige“ Namen gibt? In dem der große Bruder der Freundin einfach verschwindet und nie wieder auftaucht? Armin war Saras ganz persönlicher Kindheitsheld, Sara, die längst nicht mehr in dem Landstrich lebt, in dem sie einst das Licht der Welt erblickte und der heute Bosnien heißt. Sara, die in Dublin lebt, als ihre Freundin Leijla sich nach beinahe einem Jahrzehnt Funkstille meldet und verkündet: Armin ist wieder aufgetaucht, Du musst kommen.

Sara kommt, Sara geht nach Hause, obwohl dieses „home“ fragil, multipel, brüchig ist, wie könnte es anders sein: Wo ist das Zuhause, wenn es das Land bei der eigenen Geburt noch gar nicht gegeben hat? Wenn man seit über 10 Jahren dort nicht mehr lebt? Was ist diese Muttersprache, die Kindheit, die Erinnerung wert, wenn alles zerbrochen ist?

Das Zuhause, der Mädchenname, die Muttersprache, das Vaterland – als Leijla und Sara kleine Kinder sind, sind das Zuschreibungen, die über Leben und Tod entscheiden: zuerst sterben die Hunde, dann verschwinden die Menschen – und Leija heißt nicht mehr Leijla Begić, sondern Lela Berić. Als sich auch Sara umbenennen möchte, schimpft die Mutter: Janet – nach Janet Jackson – das geht nicht, „Dženet heiße das Paradies bei den Moslems, ob ich denn wolle, dass mir jemand die Knochen breche, ob ich denn noch ganz richtig im Kopf sei?“

Lana Bastašić erzählt in ihrem Debütroman Fang den Hasen mit unglaublicher Leichtigkeit und suggestiver Kraft von den Zumutungen des Großwerdens, die einerseits im Ex-Jugoslawien der Kriegsjahre nicht viel anders sind als sonstwo in Europa – der immergleiche Schulalltag, die erste Blutung, der erste Kuss –, die andererseits aber unentwegt infiltriert werden von der Höllenmaschine des kriegerischen Mordens, Verfolgens, Gerüchtestreuens. Und sie erzählt von den Schwierigkeiten des Sich-Erinnerns und des Anknüpfens an diese Freundschaft: Sara reist zu ihrer Freundin nach Bosnien, nach Mostar, entdeckt Leijla kellnernd in einer Tracht, die es in der gemeinsamen Kindheit nicht gegeben hat. Eurotrash möchte man diese Tracht – Christian Krachts neuen Roman zitierend – nennen.

Gleichzeitig fremd und vertraut, machen sich Sara und Leijla auf den Weg nach Wien zu Armin. Ein Road-Trip im Opel Astra durch ein Land und seine Geschichte. Diese Geschichte wird aber nicht ausbuchstabiert; ihr höllisches Unheil lauert überall, infiziert alles: unsichtbar und mörderisch bis zum bitteren Ende.

Lana Bastašić beherrscht es so meisterhaft, die Oberfläche, den Alltag über diesem brodelnden Unheil zu schildern, dass einem angst und bange wird. Austeigen aus dem Opel Astra, das will man als Leser keinesfalls, es könnte nur schlimmer werden. Auf leisen Sohlen und unscheinbar leicht erzählt sie und löst ein, was sich der Roman gleich zu Beginn als Aufgabe gestellt hat: „Gute Geschichten erzählen ohnehin nicht davon, was passiert. Sie hinterlassen nur Bilder, wie Zeichnungen auf dem Gehsteig, auf die die Jahre fallen wie der Regen.“

Ines Lauffer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt