Zum Buch:
Im Frühjahr 2020 flog der Schriftsteller Daniel Kehlmann von New York nach Palo Alto ins Silicon Valley, dem globalen Zentrum der Hightech-Industrie. Die Reise erfolgte auf Einladung von Open Austria, einer Institution, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Bundesland in den Bereichen Wirtschaft, Technologie, Investitionen, Technologiediplomatie und Kunst offiziell im Valley zu vertreten.
Die Idee war, einen neugierigen Blick in die Zukunft zu wagen. Und was konnte da näherliegender sein als ein Experiment.
Eine ortsansässige Cloud-Computing-Firma hatte einen Algorithmus namens CTRL für natürliche Sprache entwickelt, dessen Komplexität als so enorm galt, dass man ihm zutraute, selbstständig Geschichten zu erfinden – und somit den Beruf des Schriftstellers obsolet zu machen.
Kehlmann, der Autor von Welterfolgen wie Die Vermessung der Welt _und zuletzt _Tyll, fühlte sich bei seiner Ehre gepackt und ging bereitwillig auf das Angebot ein. Er setzte sich vor den Computer, ließ für einen nachdenklichen Moment seine Hände über der Tastatur schweben, tippte aufs Geratewohl: »It was a beautiful day in summer …« – und drückte die Enter-Taste. Und tatsächlich: CTRL begann die Geschichte eigenständig fortzuführen. Zumindest zunächst.
In seiner ersten Stuttgarter Zukunftsrede, die den Auftakt zu einer ganzen Reihe öffentlicher Reflexionen über das Thema Zukunft bilden soll, beschreibt Kehlmann einen Versuch, der mit den Möglichkeiten einer wenn noch nicht greifbaren, so doch gewiss dereinst in greifbarer Nähe stattfindenden Zukunft spielte, ein Experiment zwischen Mensch und Maschine, wobei Letzteres eher gleichzusetzen ist mit der höchsten Form erdachter Schöpfung: Künstlicher Intelliegnz. Dass das Experiment zuletzt ausgerechnet an deren Fähigkeit scheiterte, nicht unlogisch – und damit menschlich – handeln und einer abstrakten Metapher folgen zu können, muss dem Schriftsteller eine diebische Freude bereitet haben.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln