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Tunnel - eine israelische Satire

Autor
Modan, Rutu

Tunnel - eine israelische Satire

Untertitel
Aus dem Hebräischen von Markus Lemke
Beschreibung

In diesem Comic vermischt Rutu Modan eine Abenteuergeschichte, die an Indiana Jones erinnert, mit einer Gesellschaftssatire über den israelisch-palästinensischen Konflikt. Die Finessen und Wendungen in diesem Comic sind ebenso vielfältig und kompliziert wie in der Lebenswirklichkeit vieler Menschen in Israel und dem Westjordanland. Dabei hält sie sich mit eindeutigen, gar plumpen Meinungsäußerungen zurück, und konzentriert den Blick stattdessen auf die Protagonisten dieses grotesken Stücks: Ärchäologen, Schatzsucher, Schmuggler, die zufällig auch Israelis, Palästinenser oder einfach Menschen sind, die unterhalb der großen Politik ihr Leben meistern müssen. Selten wurde dieser große Konflikt so anregend, so komisch, so abenteuerlich dargestellt!
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Carlsen Verlag, 2020
Seiten
280
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-551-78592-3
Preis
28,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Rutu Modan ist 1966 in Tel Aviv geboren, wo sie als Comicautorin und Illustratorin arbeitet. In Israel mehrfach als Kinderbuchautorin ausgezeichnet, wurde sie international als Comiczeichnerin bekannt dank Actus Tragicus, einem israelischen Künstlerkollektiv und Verlagshaus für alternative Comicautoren. Actus Tragicus wurde 1995 von Mira Friedmann, Batia Kolton, Rutu Modan, Yimri Pinkus und Itzik Rennert gegründet und hat sich international einen ausgezeichneten Ruf erworben. Nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung an der Bezalel Academy of Art and Design in Jerusalem (1992), begann sie regelmäßig Comic-Strips und Geschichten in führenden Zeitungen Israels zu veröffentlichen. 2001 gewann sie den Andersen Award für Illustration. Außerdem war sie Mitherausgeberin der israelischen Ausgabe von MAD-Magazine. Seit 2005 gehört sie zu den von der Israel Cultural Excellence Foundation (IcExcellence) ausgezeichneten „hervorragenden Künstlern Israels“. Die französische Ausgabe wurde im Frühling 2008 beim renommierten internationalen Comic-Fesitval in Angoulême mit dem Prix France Info ausgezeichnet. Rutu Modan ist in Israel und im Ausland als Illustratorin und Texterin tätig, sie hat bereits für die New York Times, den New Yorker und Le Monde gearbeitet und veröffentlicht ihre Werke weltweit.

Zum Buch:

Es gibt viele Konfliktherde auf der Welt. Hier geht es um Macht, da um Land, dort um Religion. Und es gibt den Nahostkonflikt, in dem es um alles geht, und zugleich erscheint er wie ein nicht zu entwirrender Knoten. In der Region um Jerusalem bündeln sich verschiedene Auseinandersetzungen: zwischen Israel und Palästina, zwischen orthodoxen und liberalen Juden, zwischen Islamisten und der westlichen Moderne. Wenn man zu diesen Faktoren noch die Eitelkeiten der Wissenschaftselite, die obskuren Praktiken des internationalen Kunsthandels und das Gemisch neurotischer Familienkonflikte hinzugibt, darüber hinaus noch die Kolportage eines Indiana Jones Films und die Ästhetik eines Tim und Struppi Abenteuers – dann bekommt man eine Vorstellung von Rutu Modans gerade erschienener Graphic Novel Der Tunnel.

Modan ist eine der wichtigsten Akteurinnen der israelischen Comicszene. Mit ihrem Comic Blutspuren wurde sie 2007 international bekannt und mit dem Eisner Award ausgezeichnet. 2013 erschien ihre zweite, hochgelobte Graphic Novel, Das Erbe, die Beschreibung einer Reise von Holocaustüberlebenden ins heutige Warschau. Für ihre dritte Langgeschichte geht Modan ins Zentrum der spannungsreichen Gemengelage des heutigen Staates Israel. Und sie wählt dabei den Ton und die Form der politischen Satire.

Erzählt wird die Geschichte von Nili, einer ambitionierten Archäologin. Sie setzt die Tunnelgrabungen ihres an Demenz erkrankten Vaters fort, auf der Suche nach der sagenumwobenen Bundeslade. Aber sie ist, unter der Mauer zwischen Israel und Palästina, nicht die Einzige, die einen Tunnel durch das heilige Land treibt. Unvorstellbare Bündnisse werden geschlossen und gebrochen bis zum großen Knall, der fast wie eine Befreiung wirkt.

Rutu Modan bereitet ihre Comics in ganz besonderer Weise vor. Die Handlung wird von sorgfältig gecasteten Schauspielern gespielt und dann von ihr im Ligne Claire Stile (die „klare Linie“ wie wir sie vor allem von den Tim und Struppi Comics kennen) nachgezeichnet. Dieser gebrochene Realismus funktioniert eindrücklich.
Man kann Modan nur bewundern, mit welcher Leichtigkeit und welchem Scharfsinn sie sich durch dieses Minenfeld bewegt. Mit der Bundeslade findet sie dabei ein Objekt, das gleichsam als multipler Fetisch dient. An ihm kristallisieren sich die verschiedensten Interessen, die auf diesem so kleinen wie historisch aufgeladenen Territorium ihre engstirnigen Ziele verfolgen. Der Tunnel ist eine so anspruchsvolle wie unterhaltsame Lektüre, die den Nahostkonflikt nicht löst, aber tatsächlich ein wenig verstehbarer macht.

Jakob Hoffmann, Frankfurt