Zur Autorin/Zum Autor:
Ronaldo Wrobel, geb. 1968, arbeitet als Schriftsteller, Journalist und Rechtsanwalt in Rio de Janeiro.
Rio de Janeiro, 1935. Der eingewanderte polnische Jude Max Kutner wird in seinem Schusterladen von der Geheimpolizei abgeholt, mit der Präsident Vargas alle ausländischen und potentiell unruhestiftenden Elemente überwachen lässt. Aber die Polizei interessiert sich nicht, wie Max fürchtet, für seine eigene Vergangenheit, sondern für seine Jiddisch-Kenntnisse. Er soll für die Abteilung Briefzensur arbeiten und in Jiddisch verfasste Briefe übersetzen. Und da er keine andere Wahl hat, überträgt er mehrmals in der Woche Wort für Wort und Satz für Satz wahrheitsgemäß all die privaten und geschäftlichen Belanglosigkeiten, erläutert jiddische Redewendungen und hofft, keinen Ärger zu bekommen. Bis er auf die Korrespondenz der Schwestern Hannah und Guita.
(ausführliche Besprechung unten)
Rio de Janeiro, 1935. Der eingewanderte polnische Jude Max Kutner wird in seinem Schusterladen von der Geheimpolizei abgeholt, mit der Präsident Vargas alle ausländischen und potentiell unruhestiftenden Elemente überwachen lässt. Aber die Polizei interessiert sich nicht, wie Max fürchtet, für seine eigene Vergangenheit, über die er den Behörden bei der Einreise nicht wahrheitsgemäß Auskunft gegeben hat, sondern für seine Jiddisch-Kenntnisse. Er soll für die Abteilung Briefzensur arbeiten und in Jiddisch verfasste Briefe übersetzen. Und da er keine andere Wahl hat, überträgt er mehrmals in der Woche Wort für Wort und Satz für Satz wahrheitsgemäß all die privaten und geschäftlichen Belanglosigkeiten, erläutert jiddische Redewendungen und hofft, keinen Ärger zu bekommen. Bis er auf die Korrespondenz der Schwestern Hannah und Guita stößt und sich auf der Stelle hoffnungslos in Hannah verliebt, ohne sie je gesehen zu haben. Und als plötzlich eine bildschöne Frau in seiner Schusterwerkstatt steht und sich anhand der Schrift auf dem Adresszettel als Hannah erweist, ist es völlig um ihn geschehen. Verliebt geht er ihr nach, bringt Geschenke und tut, was er kann, um sie auf sich aufmerksam zu machen. Und auch, als er endlich mitbekommt, dass alles, was sie in den Briefen an ihre Schwester schrieb und schreibt, gelogen ist, kann er von seiner Liebe nicht lassen.
Mit ungeheurem Witz, Tempo und Leichtigkeit entführt uns Ronaldo Wrobel in das Rio der 30er und 40er Jahre, in das jüdische Viertel mit seinen polnischen und russischen Einwanderern, die nach Kräften an den alten religiösen Gebräuchen der Heimat festhalten oder sich neue erfinden. So wie die erstaunlich wandelbare Hannah den liebeskranken Schuster in immer neuer Gestalt, mit neuem Namen und neuem Verhalten konfrontiert, so konfrontiert uns Max mit immer neuen Geschichten über seine Vergangenheit und der Autor mit neuen Geschichten über das Personal seines Romans, die alle eins gemeinsam haben: sie sind gelogen. Das gilt für Max, der eigentlich gar nicht Max heißt, genauso wie für die Huren, die auf die vor der ganzen Verwandtschaft vollzogenen Ehen mit anständigen jungen Juden hereinfielen und sich dann zu ihrem Entsetzen in Rio im Bordell wiederfinden. Niemand ist, wer er zu sein vorgibt, nichts ist, was es scheint. Und dieser ganze Bilderbogen aus Geschichten, tragischen wie komischen, ist mit so viel Witz und Charme erzählt, dass man bei der Lektüre aus dem Lachen und Staunen gar nicht mehr herauskommt. Und sich schon lange nicht mehr wundert, wenn am Ende wieder alles ganz anders ist und der Autor einen mit viel Chuzpe einmal mehr hereingelegt hat.
Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main