Zum Buch:
Dreckskerl, ein ungewöhnlich drastischer Titel für ein Buch. Damit ist der Leser sofort eingestimmt auf den düsteren Tenor dieser oberschlesischen Familiengeschichte. Der polnische Titel lautet Gnój und bedeutet Mist, Dreck oder eben Dreckskerl.
Dabei beginnt alles recht heiter. Der relativ kurze Roman (174 Seiten) ist in drei Teile gegliedert, die Damals, Dann und Danach überschrieben sind. Damals vor dem Zweiten Weltkrieg – war die Welt für die K.s noch in Ordnung. Der Vater des alten K. baut für die Familie ein bequemes Haus, das Generationen überdauern soll. Diese Familie besteht aus vielen Mitgliedern, von denen sich einige durch eine originelle Lebensweise auszeichnen. Z.B. der allseits geachtete Urgroßvater, der jahrelang im Eichensarg schläft, um der Familie durch seinen Tod keine Mühe zu machen, dann aber doch im Kino vom Tod ereilt wird. Oder Onkel Lolek, der im Irrenhaus arbeitet und versucht, ein Buch aus der Perspektive eines Verrückten zu schreiben, was vom Verlag als zu gelungen abgelehnt wird. Man behandelt einander mit wohlwollender Toleranz, Gewalt hat in dieser Familie keine Tradition. Das wird nach dem Krieg anders und auch der Ton Lektüre ändert sich, wird härter und beklemmender. Der alte K., Vater des Ich-Erzählers, wohnt mit seiner Frau und zwei unverheirateten Geschwistern in dem vom Krieg verschonten Haus, das man sich aber nicht mehr leisten kann, weshalb man das Parterre verkaufen muß. Aber auch innerhalb der Familie beginnt der soziale Abstieg. Der alte K., gläubiger Katholik, züchtigt seinen Sohn mit Worten und der Peitsche, was lesend nur schwer zu ertragen ist. Die Kindheit des Sohnes, dessen Namen man nicht erfährt, ist ein einziger Leidensweg. In der Schule wird er bespuckt, im Sanatorium gequält, so daß ihm die Züchtigungen des Vaters fast wie ein Liebesbeweis vorkommen. So sind Vater und Sohn auf eine ungute Weise verstrickt und dem Sohn bleiben nur Mordphantasien, um sich vom Vater zu befreien. Das Buch endet in einer kolossalen Vernichtungsvision. Das Haus, von dem sich der Erzähler sein Leben lang verfolgt gefühlt hat, versinkt in einem Morast aus Jauche und Dreck, in dem alle Bewohner außer der Mutter umkommen. Aber auch nach dem Untergang des Hauses ist der Erwachsene, der ein mißhandeltes Kind war, nicht zukunftsfähig. Egal, wie er sein Leben gestaltet, er ist immer auf der Flucht. Sein letzter Zufluchtsort ist der Schlaf: Ich war, doch ich bin nicht mehr. Wahrlich eine Antibiografie, wie der Untertitel besagt, ein negativer Entwicklungsroman, sehr dicht erzählt, voller literarischer Anspielungen und hervorragend übersetzt. Dieses Buch beschäftigt einen auch über die letzte Seite hinaus. Edda Mittelbachert, Frankfurt am Main