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Ich spuckte es aus. Da. Mitten aufs Tischtuch. Da liegt es. Das, was einer blutigen Erdbeere gleicht, oder einem kandierten Brocken von einem Kadaver, liegt matschig auf dem Tischtuch. Es schmeckte überhaupt nicht nach Erdbeere. Einen Moment lang schmeckte es wie richtig mürbes Fleisch. Und nicht wie Erdbeere. Überhaupt. Ich erschrecke. Was ist das hier? Warum schmecken Erdbeeren jetzt nicht mehr nach Erdbeeren? Was zum Teufel geht hier vor? Menschenskind, ich kann verdammt noch mal nichts schmecken! Zu Beginn einer Vortragsreise erleidet Robert McCoy, der vor Monaten seine japanische Frau Midori mit geöffneten Pulsadern in der Badewanne fand, einen posttraumatischen Schock. Robert hat Önologie studiert, die Wissenschaft vom Wein, hat Zoologie, Botanik und Molkereitechnologie studiert. Chemie. Biochemie. Das komplette Programm. Doch ist sein eigentliches Spezialgebiet die Sensorik, er weiß alles über das Schmecken. Er ist Redakteur für eine dänische Tageszeitung, Rubrik Gastronomie, schreibt Wein- und Kochbücher. Bücher über Bier. Er hält weltweit Vorträge über das Schmecken. Der Mann lebt den Geschmack geradezu. Geschmack ist Chemie, und Chemie ist Leben, und Leben Liebe. Dann das: eine gewöhnlich Erdbeere schmeckt Nach einem Menschen, der ausläuft, auf die Kacheln im Badezimmer, ein Mensch, der aus sich selbst ausläuft, ein Mensch, der außer sich ist. Robert reist. Nein, er flüchtet. Paris, Rom, New York, Lissabon. Man könnte auch sagen, eine kulinarische Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit beginnt. Meine Fähigkeit, Wörter und Gefühle zu verbinden, ist mein Talent. Aber Midori war meine Stummheit. Kristian Ditlev Jensens Debütroman Leibspeise ist keinesfalls ein tief trauriger Roman, im Gegenteil, selten habe ich ein so mit spitzem Witz voll gepacktes Buch gelesen, und wenn überhaupt, dann erinnerte es mich an Juan Bas` Skorpione im eigenen Saft. (Super Buch übrigens.) Teilweise liest sich Leibspeise auch wie Auszüge aus Schotts Sammelsurium. Dieser Roman lebt von seinen schrägen Anekdoten, seinen Figuren und gastronomischen Ausführungen, die einem ein Magenknurren versetzen. Eines der besten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Die Sprache grandios. Neu. (An dieser Stelle ein großes Lob an die Übersetzerin Sigrid Engeler.) Ich empfehle Ihnen, lesen Sie Leibspeise, essen Sie sich daran satt. Mit bleibt mir nur noch zu sagen: Guten Appetit! (Zuletzt dann noch etwas in eigener Sache: Wir würden uns freuen, Sie mailten uns einmal, wie Ihnen die Empfehlungen schließlich gefallen haben. Oder kommen Sie doch einfach gleich in den Buchladen, und wir plaudern ein wenig über das bzw. die Bücher. Wir nehmen uns Zeit. Bis bald dann.) Autorenportrait: Kristian Ditlev Jensen wurde 1971 in Kopenhagen geboren und lebt auch heute noch dort. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit arbeitet er als Journalist, Übersetzer und Lektor. Leibspeise ist sein erster Roman, für den er 2004 den dänischen Debütpreis erhielt. Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln