Zum Buch:
Bobby ist zusammen mit seinen Eltern ins nächste Kaff gefahren, um sich im Autokino Godzilla anzusehen. Bobbys Vater schraubt die Flasche mit dem Fusel auf, kippt den Aschenbecher voll, trinkt einen ersten Schluck, spuckt die zerdrückten Kippen aus und genehmigt sich einen zweiten Schluck. Er sagt, wenn er einmal damit anfinge, direkt aus der Flasche zu trinken, ende er als Säufer. Keine halbe Stunde später steht er breitbeinig über seinen Sohn gebeugt, der sich auf dem schmierigen Boden der Herrentoilette mit einem Jungen schlägt, und feuert ihn an: »Wenn du nachgibst, prügle ich dich windelweich!«
Da ist Albert, ein hinfälliger alter Kauz, der, wenn er nicht jeden Morgen punkt zehn Uhr sein „Frühstück“ bekommt, anfängt, tote Soldaten an Fallschirmen in den Gartenbäumen hängen zu sehen. Wie in Korea. Es ist dann sein ungewaschener, drogensüchtiger Pfleger Tom, der ihm die Weinflasche mit dem Strohhalm an den Mund hält – und hinterher die Pillen des Alten schluckt.
Am trüben Uferwasser des Black Run vögelt Truman Mackey seine jüngere Schwester. Zwischendurch legen sie eine Pause ein, schweißüberströmt und von Fliegen umgeben. Dann reißen sie die Arme hoch und schreien: »Jesus, erlöse mich!« Vielleicht ist das ihre Art, um Vergebung zu bitten, wer weiß. Dann machen sie weiter.
Knockemstiff, Ohio, ein verkommenes Nest entlang der Route 50, irgendwo im tiefen Mittleren Westen. Eine Handvoll Häuser und Trailer, die wie Fallobst in der Gegend herumliegen. Eine Kirche. Eine Tankstelle. Eine Bar namens Hap‘s, in der es nur Bier und eine einzige Sorte Whisky gibt: die billigste. In Knockemstiff trifft man nur dann auf Wagen mit Kennzeichen aus anderen Bundesstaaten, wenn diese sich verfahren haben. Hier leben Menschen, die nie etwas besessen haben, das sie hätten verlieren können. Selbst ihre Unschuld wurde ihnen entweder mit brutaler Gewalt genommen oder sie gaben sie her für ein Trinkgeld, Schnaps oder harte Drogen. Ronald Ray Pollock, dessen Verlag nach seinem Erfolgsroman „Das Handwerk des Teufels“ jetzt seinen Debütroman hinterher schiebt, beschreibt einige der Menschen, die hier leben, und da ist keiner dabei, den man im wirklichen Leben gerne hätte kennenlernen wollen. Die Geschichten sind brutal offen, halten mit nichts zurück. Wer „Das Handwerk des Teufels“ schon zu heftig fand, der sollte von „Knockemstiff“ besser die Finger lassen. Allen anderen kann ich nur wünschen: Willkommen am Bodensatz der amerikanischen Gesellschaft.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln