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Autor
Pollock, Donald Ray

Knockemstiff

Untertitel
Aus dem Englischen von Peter Torberg
Beschreibung

Knockemstiff. Das ist das verkohlte Häufchen Asche, das vom ausgebrannten amerikanischen Traum übrig geblieben ist. Der erste Kreis der Hölle. Wer hier herauskommen will, schafft es nur in einem gestohlenen Wagen oder in der Entrückung eines diffusen Drogenrauschs. Und die Geschichten, die Pollock in seinem Debütroman erzählt, und die sich alle um dieses Drecksnest im Mittleren Westen drehen, gehören zum Heftigsten, das ich seit Jahren in den Finger hatte. Also aufgepasst: nichts für Blümchenpflücker.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Liebeskind Verlag, 2013
Format
Gebunden
Seiten
256 Seiten
ISBN/EAN
978-3-95438-014-5
Preis
18,90 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Donald Ray Pollock, geboren 1954, wuchs im US-Bundesstaat Ohio auf. Mit siebzehn Jahren brach er die Highschool ab und nahm einen Job in einer Fleischfabrik an. Danach arbeitete er über dreißig Jahre in einer Papiermühle, zumeist als Lastwagenfahrer. Ende der achtziger Jahre holte er in Abendkursen seinen Schulabschluss nach und schrieb sich an der Ohio State University ein. Donald Ray Pollock lebt mit seiner Frau in Chillicothe, Ohio.

Zum Buch:

Bobby ist zusammen mit seinen Eltern ins nächste Kaff gefahren, um sich im Autokino Godzilla anzusehen. Bobbys Vater schraubt die Flasche mit dem Fusel auf, kippt den Aschenbecher voll, trinkt einen ersten Schluck, spuckt die zerdrückten Kippen aus und genehmigt sich einen zweiten Schluck. Er sagt, wenn er einmal damit anfinge, direkt aus der Flasche zu trinken, ende er als Säufer. Keine halbe Stunde später steht er breitbeinig über seinen Sohn gebeugt, der sich auf dem schmierigen Boden der Herrentoilette mit einem Jungen schlägt, und feuert ihn an: »Wenn du nachgibst, prügle ich dich windelweich!«

Da ist Albert, ein hinfälliger alter Kauz, der, wenn er nicht jeden Morgen punkt zehn Uhr sein „Frühstück“ bekommt, anfängt, tote Soldaten an Fallschirmen in den Gartenbäumen hängen zu sehen. Wie in Korea. Es ist dann sein ungewaschener, drogensüchtiger Pfleger Tom, der ihm die Weinflasche mit dem Strohhalm an den Mund hält – und hinterher die Pillen des Alten schluckt.

Am trüben Uferwasser des Black Run vögelt Truman Mackey seine jüngere Schwester. Zwischendurch legen sie eine Pause ein, schweißüberströmt und von Fliegen umgeben. Dann reißen sie die Arme hoch und schreien: »Jesus, erlöse mich!« Vielleicht ist das ihre Art, um Vergebung zu bitten, wer weiß. Dann machen sie weiter.

Knockemstiff, Ohio, ein verkommenes Nest entlang der Route 50, irgendwo im tiefen Mittleren Westen. Eine Handvoll Häuser und Trailer, die wie Fallobst in der Gegend herumliegen. Eine Kirche. Eine Tankstelle. Eine Bar namens Hap‘s, in der es nur Bier und eine einzige Sorte Whisky gibt: die billigste. In Knockemstiff trifft man nur dann auf Wagen mit Kennzeichen aus anderen Bundesstaaten, wenn diese sich verfahren haben. Hier leben Menschen, die nie etwas besessen haben, das sie hätten verlieren können. Selbst ihre Unschuld wurde ihnen entweder mit brutaler Gewalt genommen oder sie gaben sie her für ein Trinkgeld, Schnaps oder harte Drogen. Ronald Ray Pollock, dessen Verlag nach seinem Erfolgsroman „Das Handwerk des Teufels“ jetzt seinen Debütroman hinterher schiebt, beschreibt einige der Menschen, die hier leben, und da ist keiner dabei, den man im wirklichen Leben gerne hätte kennenlernen wollen. Die Geschichten sind brutal offen, halten mit nichts zurück. Wer „Das Handwerk des Teufels“ schon zu heftig fand, der sollte von „Knockemstiff“ besser die Finger lassen. Allen anderen kann ich nur wünschen: Willkommen am Bodensatz der amerikanischen Gesellschaft.

Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln