Zum Buch:
Der gute alte John Wayne, für Generationen der Inbegriff eines, nein, des Westernhelden überhaupt, steht breitbeinig und mit angeklebtem Dschingis Kahn-Bärtchen über der im Staub der mongolischen Steppe liegenden Leiche eines Kontrahenten – und schaut direkt in die Kamera. »Cut!« Natürlich wurde der Film ein totaler Flop, aber das nur nebenbei. Viel ausschlaggebender, und das im wahrsten Sinne des Wortes, war die Tatsache, dass man als Drehort für die Schnulze ausgerechnet ein verstrahltes Atomtestgelände in Utah ausgesucht hatte. Obwohl sie sich über die Gefahren im Klaren waren, ließen die Produzenten nach Ende der Dreharbeiten zu den Außenszenen dann 60 Tonnen des hochgradig verstrahlten Sandes abtragen und in eine Studiohalle in Hollywood bringen, um dort weiterzudrehen. Wayne starb Jahre später an Lungenkrebs. Susan Hayward, die damals die andere Hauptrolle spielte, erkrankte ebenfalls an Lungenkrebs und erlag schließlich einem Gehirntumor. Ebenso der Regisseur und eine Nebendarstellerin. Wie viele der über 1000 namenlosen Reiterkomparsen, die während der Außenszenen wochenlang durch den kontaminierten Staub galoppierten, an Krebs starben, hat dann keiner mehr gezählt. Aber es waren etliche.
In seinem Buch Der verstrahlte Westernheld und anderer Irrsinn aus dem Atomzeitalter hat der Autor und Regisseur Rudolph Herzog eine Menge weiterer skurriler Begebenheiten zusammengetragen, über die man aus heutiger Sicht nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen kann. So hatte Mitte der 70er Jahre ein findiger Wissenschaftler den bahnbrechenden Einfall, mithilfe eines »atomaren Erdaushubs« durch Kernwaffen einen 73 Kilometer langen Kanal durch Südpanama zu sprengen. Statt Panama, so die Idee, könnte man natürlich auch ein anderes befreundetes Land durchtrennen, beispielsweise Mexiko. Allein die Kosten für die hierzu nötigen 875 Wasserstoffbomben würden sich auf satte 2 Billionen Dollar belaufen; geradezu ein Schnäppchen im Vergleich zu den Kosten »konventionell ausgehobener« Kanäle. Wie wir wissen, wurden diese Ideen niemals verwirklicht, doch allein die Tatsache, dass der damalige US-Kongress nur allzu bereit war, gut 20 Millionen Dollar für eine Studie zu diesen Szenarien zur Verfügung zu stellen, legt nahe, welch krude Vorstellungen die Pioniere des Atomzeitalters vom Nutzen ihrer Wunderwaffe hatten. Und es kommt noch dicker.
Bei der Lektüre dieses Weißbuchs der atomaren Unvernunft kommt man zunächst nicht umhin, seine Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen, man will das einfach nicht sofort glauben. Doch schon ein paar Klicks bei Wikipedia & Co. lassen weit Schlimmeres erahnen. Und so ist dieses Buch nicht allein dazu gedacht, sich über spinnerte Wissenschaftler lustig zu machen, auch wenn ihr Handeln teilweise einer gewissen Komik nicht entbehrt, sondern vielmehr dazu geeignet, in Zukunft noch aufmerksamer zu sein, damit Geistesblitze dieser Art, die vielleicht heute noch in den Tiefen irgendwelcher Schubladen schlummern, dort auch verrotten mögen.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln