Sachbuch

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Buchempfehlungen Sachbuch

Autor
Jostmann, Christian

Das Eis und der Tod

Untertitel
Scott, Amundsen und das Drama am Südpol
Beschreibung

Waren sie schon alt genug, um am 21. Juli 1969 um vier Uhr früh (MEZ) mit Millionen anderer Menschen vor dem Fernseher zu sitzen, als Neil Amstrong nach jahrelangem Wettkampf zwischen den USA und der Sowjetunion seinen „großen Schritt für die Menschheit“ auf die Oberfläche des Mondes setzte? Nur knapp 60 Jahre vorher war die westliche Welt von einem ähnlichen Wettkampf gefesselt: eine britische und eine norwegische Expedition versuchten zeitgleich die Antarktis zu durchqueren und den Südpol zu erreichen. „Das Eis und der Tod“ erzählt die Geschichte dieses Wettlaufs, der von 1910 bis 1913 dauerte und den einen den Triumph und den anderen den Tod brachte.

Verlag
Beck Verlag, 2011
Format
Gebunden
Seiten
320 Seiten
ISBN/EAN
9783406620942
Preis
7,95 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Christian Jostmann, geb. 1971, ist promovierter Mediävist und Autor der “Süddeutschen Zeitung”.

Zum Buch:

Seit James Cook 1772- 1775 die Antarktis umsegelte, ist der Strom derer, die den unbekannten eisigen Kontinent erkundet haben, nicht abgerissen. Immer weiter schoben sich Entdecker und Forscher in die unwirtliche Region hinein, ließen sich vom Packeis einschließen oder erkundeten, zumeist mit Hundeschlitten, die große Eisbarriere. Nachdem 1908 oder 1909 – Robert Edwin Peary und Frederick Cook stritten sich erbittert um die Rolle des Entdeckers – der Nordpol erreicht worden war, blieb als letzter unentdeckter Fixpunkt der Südpol übrig.
„Das Eis und der Tod“ beginnt mit einem kurzen Abriss der Eroberung der Antarktis seit Cook und schildert dann in parallelen Erzählungen den Wettlauf der beiden Expeditionen: der norwegischen unter der Leitung von Roald Amundsen und der britischen unter Robert Falcon Scott. Da der Leser weiß, wer das Rennen gewonnen hat, liegt die Spannung des Buchs nicht darin zu erfahren, wer warum zuerst angekommen ist, sondern woran es lag, dass die einen siegten und die anderen untergingen. In seinem letzten Brief hat Scott vielfach Unglücksfälle, widrige Umstände und das Wetter für sein Scheitern verantwortlich gemacht, aber verantwortlich waren wohl eher die Erfahrungen und Mentalitäten der Mitglieder und Leiter der Expedition. Auf beiden Anführern lastete ein ungeheurer Druck. Sie waren nicht nur für ihre Männer verantwortlich, ihre Geldgeber erwarteten natürlich von ihnen den Sieg.
Für die Norweger waren Eis, Schnee und Dunkelheit etwas Normales, wenn auch nicht in solch extremer Form. Sie konnten mit Skiern umgehen und mit Hundeschlitten. Dazu kam, dass Amundsen der kühlere Stratege war. Die Briten wiederum kamen besser mit dem beengten Zusammenleben in den kleinen Hütten während des Polarwinters zurecht. Sie waren in Armee und Navy „von der Pike auf darauf gedrillt, in jeder Lage die Form zu wahren“. Leider hatte Scott aufgrund der Erfahrungen einer früheren Expedition beschlossen: „Keine Skier, keine Hunde.“ Er vertraute auf Ponys, Motorschlitten und das sogenannte „Man-hauling“ –die Männer zogen die Schlitten selbst, ohne Skier. Beide Teams rechneten sich nicht zu unrecht eine reelle Chance aus, als erste am Pol zu sein.
Über die reinen Fakten der Expeditionen hinaus erfährt der Leser in diesem Buch sehr viel mehr, z. B. warum Schlitten bei großer Kälte nicht mehr gleiten (weil das Reibungswasser, auf dem der Schlitten dahinrutscht, gleich wieder gefriert), dass Robbenfleisch gegen Skorbut schützt, wie sich die unterschiedlichen Führungstypen und -stile auf die Mannschaften auswirken u.v.m.
„Das Eis und der Tod“ ist ein erzählendes Sachbuch. Der Autor, Christian Jostmann, ist Journalist und weiß, wie eine spannende Geschichte gut recherchiert und aufgebaut wird. Das macht das Buch unterhaltsam und leicht lesbar. Manchmal aber schrammt der Autor auch hart an der Kolportage entlang. Seine Schilderungen der Eiswelt in ihrer Größe, Abweisung und Erhabenheit wiederum sind beeindruckend. Er erzählt von einem Heroismus, der uns heute, wo der Mount Everest zur Latschplanke für betuchte Touristen verkommen ist, fremd geworden ist.
Man kann das Buch auf unterschiedliche Weise lesen: als eines der letzten großen Männer-Abenteuer auf der Erde, das von Entbehrung, Opfermut und heldenhaftem Willen getragen war, oder als Abgesang auf die letzte, vom Menschen und seinem Gewinnstreben noch nicht berührte Region der Erde. Auf jeden Fall ist es eine faszinierende und spannende Lektüre.

Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co., Frankfurt